Konkursverschleppungshaftung von Aufsichtsratsmitgliedern ("Herstatt Fall")
BGH II. Zivilsenat, Az. II ZR 118/77, Urteil vom: 09. 07. 1979, Instanzenzug OLG Köln, LG Köln
AktG 92, 93, 116; VerglO 7, 82; BGB 823 Abs. 2, 826
Leitsatz
a) Ein gerichtlich bestätigter Liquidationsvergleich über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft kann sich mit Wirkung für und gegen alle Vergleichsgläubiger auch auf solche Ersatzansprüche der Schuldnerin gegen Gesellschaftsorgane erstrecken, die ein Gläubiger nach 93 Abs. 5 AktG im eigenen Namen geltend machen kann.
b) Zur Deliktshaftung von Aufsichtsratsmitgliedern wegen Verletzung der Konkursantragspflicht.
c) Die Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach drei Wochen, das Konkurs- oder Vergleichsverfahren zu beantragen, beginnt im Falle der Überschuldung mit der Kenntnis des geschäftsführenden Organs vom Konkursgrund (wie BGHSt 15,306, 310.
d) Das geschäftsführende Gesellschaftsorgan muß bei einer erkannten Überschuldung nach pflichtmäßigem Ermessen die Aussichten und Vorteile eines Sanierungsversuchs gegen die Nachteile abwägen, die nicht eingeweihten Kunden bei einem Scheitern des Versuchs durch zwischenzeitliche Vermögensbewegungen entstehen können. Entscheidet es sich nach sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung für einen solchen Versuch und darf es ihn den Umständen nach als sinnvoll ansehen, so verstößt es nicht schon deshalb gegen die guten Sitten oder das Betrugsverbot, weil eine für das Gelingen des Versuchs unerläßliche Fortführung des Betriebs unter Geheimhaltung seiner bedrängten Lage die Möglichkeit einschließt, daß hierdurch Getäuschte bei einem Zusammenbruch des Unternehmens einen Schaden erleiden, der ihnen bei sofortiger Einleitung eines Insolvenzverfahrens erspart geblieben wäre.
Zum Sachverhalt
Die Klägerin, eine Landesbank und Girozentrale, macht die Beklagten für Verluste verantwortlich, die sie durch den Zusammenbruch des Bankhauses H. Kommanditgesellschaft auf Aktien (im folgenden: H.-Bank) im Juni 1974 erlitten hat.
Persönlich haftender Gesellschafter der H. -Bank war H. Der Beklagte zu 1 war zu der maßgeblichen Zeit Vorsitzender des sechsköpfigen Verwaltungsrats und des neunköpfigen Aufsichtsrats. Er war auch Mehrheitsaktionär der zum G. -Konzern gehörigen Gesellschaften, die als Kommanditaktionäre mit insgesamt 84,0273% am Grundkapital beteiligt waren.
Der Beklagte zu 2, der das Finanzwesen des G. -Konzerns leitete, war ebenfalls Mitglied des Aufsichtsrats und seit dem 29. April 1974 stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats der H. -Bank. Nach der Satzung der Bank konnte der Verwaltungsrat allgemeine und besondere Weisungen für die Geschäftsführung erteilen und aufgrund dieser Befugnis über das Erfordernis seiner Zustimmung in besonders genannten Einzelfällen hinaus allgemeine und besondere Anordnungen für die Geschäftsführung , erlassen, insbesondere für Maßnahmen, die der Gestaltung des Kreditgeschäfts dienten.
Der Zusammenbruch der H. -Bank beruhte auf hohen Verlusten im Devisenhandel, der im Jahre 1973 einen Umsatz von 63,8 Mrd. DM erreichte. Diese Verluste überstiegen bei starken Ergebnisschwankungen seit Mitte 1973 wiederholt das haftende Eigenkapital. Am 11. Juni 1974 teilte H. dem Beklagten zu 2 mit, daß sich bei einer bankinternen Prüfung zum 31. Mai 1974 in den Devisentermingeschäften ein Verlust in Höhe von etwa 64 Mio. DM ergeben habe. Der Beklagte zu 2 verständigte hierüber den Beklagten zu 1. Am 16. Juni 1974 unterrichteten H. und der Generalbevollmächtigte v. d. G. die Beklagten davon, daß der Verlust sich zwischen 450 und 520 Mio. DM bewege. Am 23. Juni 1974 erörterten der Beklagte zu 2, der Präsident der Deutschen Bundesbank und der Vorsitzende des Präsidiums des Aufsichtsrats des G. -Konzerns die Frage einer Rettung der H. -Bank. Weitere Gespräche über dasselbe Thema fanden am 24. Juni 1974 zwischen den beiden Beklagten, dem Präsidenten des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen und dem Präsidenten der Landeszentralbank in D. sowie am 25. und 26. Juni 1974 unter Mitwirkung zunächst des Sprechers der Deutschen Bank und sodann auch von Vertretern der Dresdner Bank und der Commerzbank statt. Sie endeten erfolglos, nachdem der Beklagte zu 1 zwar angeboten hatte, sich zur Abdeckung der Bankverluste zu verpflichten, die vorgenannten drei Großbanken es aber abgelehnt hatten, die vom Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes geforderte Absicherung dieser Garantie durch eine Bürgschaft zu übernehmen. Noch am 26. Juni 1974 nahm das Bundesaufsichtsamt die der H.-Bank erteilte Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften zurück; es ordnete die Abwicklung der Gesellschaft an und gab ihr auf, sofort bis auf weiteres ihre Schalter zu schließen und ihre Zahlungen einzustellen.
Am 27. Juni 1974 beantragte die H. Bank die Eröffnung des Vergleichsverfahrens; am 22. Oktober 1974 gab das Amtsgericht dem Antrag statt. In diesem Verfahren kam es am 17. Dezember 1974 zu einem Vergleich, der am 30. Dezember 1974 gerichtlich bestätigt wurde. Danach überließ die H. -Bank den Gläubigern ihr gesamtes Vermögen zuzüglich der von dritter Seite zur Verfügung gestellten Beträge zur Verwertung. Weiter heißt es zu 1 1:
Eventuelle Ansprüche der Vergleichsschuldnerin gegenüber früheren und derzeitigen satzungsmäßigen Organen, Gesellschaftern und, Aktionären der Vergleichsschuldnerin ..., soweit diese Ansprüche im Zusammenhang mit den genannten Funktionen stehen, eventuelle Ansprüche der Vergleichsschuldnerin gegenüber Dr. G. (Beklagter zu 1) und seiner Familie im Sinne von 4 Abs. 2 VerglO sowie gegenüber Gesellschaften der G.-Gruppe und ihren satzungsmäßigen Organen und ebenso Ansprüche der Vergleichsschuldnerin, die zu Rückgriffs-, Freistellungs- oder sonstigen Ansprüchen gegenüber den Zuvorgenannten führen können, gehören nicht zu dem von der Vergleichsschuldnerin aufgrund dieses Vergleiches überlassenen Vermögen.
Der durch die Verwertung des den Vergleichsgläubigern hiernach überlassenen Vermögens der Vergleichsschuldnerin nicht gedeckte Teil der Forderungen wird erlassen...
Aus der zu verteilenden Masse sollten Gläubiger, die weder Banken noch Kommunen oder kommunale Eigengesellschaften waren, vorrangig 65%, die Kommunen und deren Eigengesellschaften 55%, ausländische Banken 55% und inländische Banken 45% ihrer Forderungen erhalten. Zu den von dritter Seite zugeschossenen Beträgen gehörte ein Beitrag des Beklagten zu 1 in Höhe von 200 Mio. DM zuzüglich 10 Mio. DM aus dem Härtefonds G. . Diese Beiträge hatte der Beklagte zu 1 unter der Bedingung versprochen, daß die Gläubiger mit bestimmten Prozentsätzen neben dem gerichtlichen auch einem außergerichtlichen Vergleich zustimmten, wonach sie auf Ansprüche jeder Art gegen die vorerwähnten Organe usw. verzichteten. Ein solcher Vergleich kam ebenfalls am 17. Dezember 1974 zwischen dem Beklagten zu 1 und einer Anzahl von Gläubigern zustande.
Die Klägerin hat sich weder dem gerichtlichen noch dem außergerichtlichen Vergleich angeschlossen. Nach ihrer Behauptung hatte sie gegen die H.-Bank Forderungen in Höhe von 50 Mio. DM, und zwar 30 Mio. DM aus der Hergabe von Termingeldern und 20 Mio. DM aus der Tagesgeldausleihung vom 25. Juni 1974, die am 26. Juni 1974 um einen Tag verlängert worden sei. Aus dem letztgenannten Posten machte sie gegen die Beklagten unter den Gesichtspunkten der Durchgriffshaftung, der Verletzung aktienrechtlicher Vorschriften und der unerlaubten Handlung eine Teilforderung in Höhe vom 1 Mio. DM geltend. Sie hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1 Mio. DM mit Zinsen zu verurteilen.
Die Klage blieb in allen Rechtszügen erfolglos.
Aus den Gründen
I. Aktienrechtliche Haftung
1. Die Klage ist zunächst darauf gestützt, die Beklagten hätten es unter grober Verletzung ihrer Pflichten als Mitglieder des Aufsichtsrats und des Verwaltungsrats der H. -Bank versäumt, die sachlich nicht zu vertretende Ausweitung der gefährlichen Devisentermingeschäfte rechtzeitig zu unterbinden, bevor der Bank und deren Gläubigern daraus ein nicht wiedergutzumachender Schaden habe entstehen können. Damit verfolgt die Klägerin den in 93 Abs. 2, 116 AktG geregelten Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen Organmitglieder wegen pflichtwidriger Amtsführung, den unter den besonderen Voraussetzungen des 93 Abs. 5 AktG auch ein Gläubiger der Gesellschaft geltend machen kann. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die genannten Vorschriften nach 278 Abs. 3 AktG auch für den Aufsichtsrat einer Kommanditgesellschaft auf Aktien wie der H. -Bank gelten. Es verneint aber schon aus Rechtsgründen eine aktienrechtliche Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin, weil sie durch den Liquidationsvergleich vom 17. Dezember 1974 ausgeschlossen sei. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
Nach 82 Abs. 1 VerglO wirkt der bestätigte Vergleich auch gegen die Vergleichsgläubiger, die, wie die Klägerin, ihm nicht zugestimmt haben. Das Berufungsgericht meint zunächst, diese Vergleichswirkung überlagere allgemein das Recht der Gläubiger aus 93 Abs. 5 AktG, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen deren Organe selbst zu verfolgen. Die Gläubiger könnten daher wegen des im Vergleich erlassenen Teils ihrer Forderungen auch nicht bei einem haftpflichtigen Organmitglied Befriedigung suchen (so Mertens AG 1977,66; ebenso im Ergebnis - mit nicht überzeugender Begründung - anscheinend Bley/Mohrbutter, VerglO 3. Aufl. 108 Anm. 23 b; a. M. wohl Barz in Großkomm. AktG 3. Aufl. 62 Anm. 11; Schowkarsten Schmidt, GmbHG 6. Aufl. 64 Anm. 27,33).
Ob diese von der Revision bekämpfte Ansicht zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Nach dem vorliegenden Liquidationsvergleich entfällt das Verfolgungsrecht der Gläubiger nach 93 Abs. 5 AktG jedenfalls mit Rücksicht auf die zu II getroffene Regelung, die das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei als Erlaßvereinbarung aufgefaßt hat. Danach sollten etwaige Ansprüche der H.-Bank gegen satzungsmäßige Organe, die im Zusammenhang mit deren Funktionen standen, nicht zu dem den Gläubigern überlassenen Vermögen gehören. Diese Abrede in Verbindung mit dem weiterhin vereinbarten Erlaß desjenigen Teils der Vergleichsforderungen, der durch die Verwertung des den Vergleichsgläubigern überlassenen H. -Vermögens nicht gedeckt war, kann vernünftigerweise nur bedeuten, daß Ersatzansprüche der H.-Bank gegen Organmitglieder und vor allem auch gegen den namentlich benannten Beklagten zu 1 dem Zugriff der Gläubiger entzogen, diese also darauf beschränkt sein sollten, aus den ihnen überlassenen sonstigen Vermögensstücken Befriedigung zu suchen (wird ausgeführt).
Zweifel an der Wirksamkeit dieser Regelung sind nicht begründet. Vielmehr ist der Verzicht der Gläubiger darauf, sich wegen des durch das überlassene Vermögen nicht gedeckten Teils ihrer Ansprüche gegen die H. -Bank bei deren Organen schadlos zu halten, auch insoweit, als die Gläubiger die Organe der Bank sonst nach 93 Abs. 5 AktG unmittelbar hätten in Anspruch nehmen können, vergleichsrechtlich zulässig und durch den Mehrheitszwang des 82 Abs. 1 VerglO mit erfaßt.
a) Wie 7 Abs. 4 VerglO zu entnehmen ist, kann ein Liquidationsvergleich wirksam auf einen Teil des Schuldnervermögens mit der Folge beschränkt werden, daß die von der Verwertung ausgenommenen Vermögensteile für eine Befriedigung der Gläubiger nicht mehr verfügbar sind, soweit die Mindestquote durch das den Gläubigern überlassene Vermögen gedeckt ist. Das Gesetz stellt damit das Schuldnervermögen insofern zur Disposition der Gläubigermehrheit, als diese um der möglichst gleichmäßigen Befriedigung aller willen in einem Vergleich die Verwertung und Verteilung des vom Schuldner hierzu bereitgestellten Vermögens verbindlich regeln, zugleich aber auch den Zugriff auf andere Vermögensgegenstände ausschließen kann, um einen schädlichen Wettlauf der Gläubiger zu vermeiden.
b) Zu den Vermögensstücken, die auf solche Weise in eine Verwertung zugunsten aller Gläubiger einbezogen, aber auch davon ausgenommen werden können, gehören auch Schadensersatzforderungen der Gesellschaft gegen ihre Verwaltungsmitglieder einschließlich der in 93 Abs. 5 AktG besonders herausgehobenen Ansprüche, die ein Gläubiger selbst zu verfolgen berechtigt ist. Bei diesen Ansprüchen mag zum Teil der Schutz der Gläubiger und nicht so sehr das Interesse der Gesellschaft im Vordergrund stehen; 50 kann namentlich bei einer nach Konkursreife geleisteten Zahlung ( 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG) zweifelhaft sein, ob durch sie der Gesellschaft überhaupt ein Schaden entstanden ist (vgl. zu 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG: Urteil des Senats vom 18. März 1974 - II ZR 2/72 = LM GmbHG 43 Nr. 4). Gleichwohl rechnet das Gesetz diese Ansprüche, auch soweit es ihre Verfolgung unmittelbar in die Hand der Gläubiger legt, materiell zum Vermögen der Gesellschaft, wie die Fassung des 93 Abs. 5 AktG C, Ersatzanspruch der Gesellschaft ) einwandfrei ergibt.
Wollte man, wie die Revision es will, die von 93 Abs. 5 AktG erfaßten Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organe von der Möglichkeit einer nach 82 Abs. 1 VerglO verbindlichen Regelung in einem Vergleich ausnehmen, so würde gerade das eintreten, was durch eine am Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung ( 8 VerglO) ausgerichtete Einigung verhindert werden soll: Es bestünde dann die Gefahr eines Wettrennens mindestens unter den nicht am Vergleich beteiligten Gläubigern um eine bevorzugte Befriedigung aus diesen Ansprüchen (Mertens AG 1977, 66, 67 f). Hinzu kommt, daß die Möglichkeit, die etwaige Haftung von Gesellschaftsorganen mit Wirkung für und gegen alle Vergleichsgläubiger in den Vergleich einzuschließen, geeignet sein kann, dessen Zustandekommen zu fördern, ein Gedanke, dem das Gesetz durch die ausdrückliche Regelung in 109 Nr. 3 VerglO zugunsten persönlich haftender Gesellschafter Rechnung trägt (vgl. Urteil des Senats vom 25. Mai 1970 - II ZR 183/68 = LM VerglO 109 Nr. 1).
c) Nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts läßt sich die Vorschrift des 82 Abs. 2 VerglO, wonach die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie für die Forderung bestehende Sicherheiten durch den Vergleich unberührt bleiben, nicht auf Schadensersatzansprüche nach 93 Abs. 5 AktG übertragen. Denn diese Ansprüche unterscheiden sich wesentlich von den in 82 Abs. 2 VerglO genannten Dritt- und Sicherungsrechten. Diese stehen dem einzelnen Gläubiger aufgrund eines besonderen, gerade im Hinblick auf seine Forderung begründeten Rechtsverhältnisses aus eigenem, nicht abgeleitetem Recht zu und können ihm nicht gegen seinen Willen durch Mehrheitsbeschluß gemäß 74 VerglO entzogen werden, da sich der Mehrheitszwang weder auf eigene Ansprüche des Gläubigers gegen einen Dritten noch auf dingliche Rechte erstreckt (Bley/Mohrbutter aaO 8 Anm. 12,21, 82 Anm. 19); insofern ist auch, wie 82 Abs. 2 VerglO ausdrücklich klarstellt, die Abhängigkeit der Sicherheit vom Schicksal der Hauptverbindlichkeit durchbrochen. Ganz anders verhält es sich mit den Ersatzansprüchen der Gesellschaft, die nach 93 Abs. 5 AktG auch ein Gesellschaftsgläubiger geltend machen kann: Sie brauchen sich nicht unmittelbar auf diejenige Forderung zu beziehen, deretwegen ein Gesellschaftsgläubiger Befriedigung sucht, sondern stehen als Bestandteil des Gesellschaftsvermögens dem Zugriff aller Gläubiger lediglich mit der Besonderheit offen, daß ein Gläubiger unmittelbar und nicht erst auf dem Weg einer Pfändung und Überweisung des Haftpflichtanspruchs gegen den Schuldner vorgehen kann. Das Recht der Gesellschaft, über diesen Anspruch, z. B. durch Einzug oder Abtretung, selbst zu verfügen, wird hierdurch nicht beeinträchtigt; nur die in 93 Abs. 5 Satz 3 AktG aufgeführten Rechtshandlungen - Verzicht, Vergleich oder Hauptversammlungsbeschluß - braucht ein Gläubiger nicht gegen sich gelten zu lassen. Mit dieser Einschränkung kann andererseits der Haftpflichtschuldner alle Einwendungen, die ihm gegen die Gesellschaft zustehen, auch einem Gläubiger entgegenhalten. Er - kann trotz Inanspruchnahme durch einen Gesellschaftsgläubiger nach wie vor mit befreiender Wirkung an die Gesellschaft zahlen und braucht auch dann nur einmal bis zur Höhe des Ersatzanspruchs der Gesellschaft zu leisten, wenn den Gläubigern, zusammengenommen, ein höherer Schaden entstanden ist.
Diese gänzlich andere rechtliche Gestaltung verbietet es, die den Gläubigern zur eigenen Wahrnehmung überlassenen Haftpflichtansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organe den ursprünglichen, auf unmittelbaren Rechtsbeziehungen beruhenden individuellen Rechten einzelner Vergleichsgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen gleichzusetzen, die 82 Abs. 2 VerglO im Auge hat.
d) Bedenken dagegen, die von 93 Abs. 5 AktG erfaßten, auf besonders schwerwiegenden Verstößen beruhenden Ersatzansprüche gegen Organmitglieder in die Vergleichswirkung nach 82 Abs. 1 VerglO einzubeziehen, ergeben sich auch nicht daraus, daß 93 Abs. 5 Satz 3 AktG die Gläubiger gegen nachteilige Einwirkungen der Gesellschaft auf diese Ansprüche zu schützen sucht. Denn dieser Schutzzweck schließt es nicht aus, daß die Gläubiger selbst in einem gerichtlich bestätigten Vergleich auf eine Inanspruchnahme der Gesellschaftsorgane verzichten und sich mit einem Zugriff auf das übrige, ihnen gemäß 7 Abs. 4 VerglO zur Verwertung überlassene Gesellschaftsvermögen begnügen.
e) Die Erstreckung eines solchen Vergleichs auf diejenigen Gläubiger, die ihm nicht zugestimmt haben, bedeutet freilich einen Eingriff in die besondere Rechtsstellung die ihnen 93 Abs. 5 AktG hinsichtlich der dort geregelten Haftpflichtansprüche einräumt. Darin liegt jedoch keine unzumutbare Beeinträchtigung dieser Gläubiger, die über das in 82 Abs. 1 VerglO vorausgesetzte, mit dem Mehrheitszwang notwendig verbundene Maß hinausginge. Indem 93 Abs. 5 AktG den Gläubigern unter bestimmten Voraussetzungen ein unmittelbares Klagerecht gegenüber haftpflichtigen Verwaltungsmitgliedern gibt, erspart er ihnen den Umweg über eine vorherige Pfandung und Überweisung des Ersatzanspruchs und schützt er sie dagegen, daß Gesellschaft und ersatzpflichtige Organe zu ihrem Schaden zusammenwirken, sei es auch nur dahin, daß die Verwirklichung des Ersatzanspruchs unterbleibt oder verzögert wird. Diese Gesichtspunkte erfordern es nicht, der Regelung solcher - Ansprüche in einem Liquidationsvergleich die Wirkungen des 82 Abs. 1 VerglO zu versagen. Wie gerade der vorliegende Fall zeigt, können die Beteiligung von Gesellschaftsorganen an den Vergleichsverhandlungen und die Einbeziehung etwaiger Ersatzansprüche gegen sie in den Vergleich durchaus zu einer abschließenden und umfassenden Erledigung aller Forderungen im Interesse der Gläubigergesamtheit beitragen und den einzelnen Gläubigern ein zeitraubendes, kostspieliges und mit Risiken behaftetes gesondertes Vorgehen gegen die Organe ersparen. Diese Vorteile wiegen regelmäßig das Interesse einzelner Gläubiger am Fortbestand eines eigenen, auf Kosten der Gläubigergemeinschaft gehenden Verfolgungsrechts auf.
2. Für Schadenersatzansprüche gemäß 117 AktG, die nach Abs. 5 dieser Vorschrift auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden können, gilt dasselbe wie für Ansprüche nach 93 Abs. 5 AktG: Sie scheiden hier nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts schon aufgrund des Vergleichs vom 17. Dezember 1974 aus.
3. ...
II. Deliktsansprüche
Scheiden hiernach aktienrechtliche Ansprüche gegen die Beklagten nach dem Liquidationsvergleich aus, so bleiben als mögliche Klagegrundlage noch Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, die der Klägerin aus eigenem Recht gegen die Beklagten zustehen und als echte Drittansprüche dem Mehrheitszwang nach 82 Abs. 1 VerglO nicht unterliegen würden (Bley/Mohrbutter aaO 108 Anm. 23 b). Insoweit geht es im wesentlichen um den Vorwurf, die Beklagten hätten es zu verantworten, daß die H.-Bank zu spät die Eröffnung des Vergleichsverfahrens beantragt und hierdurch die Klägerin geschädigt habe.
Als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger, dessen Verletzung nach 823 Abs. 2 BGB zum Schadenersatz verpflichtet, kommen auch die Vorschriften über die Konkursanmeldepflicht jedenfalls insoweit in Betracht, als sich durch die Verzögerung der Konkurseröffnung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verringert haben (so zur entsprechenden Vorschrift des 64 GmbHG: BGHZ 29,100). Die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung das Konkurs- oder Vergleichsverfahren zu beantragen, legt das Gesetz jeweils dem geschäftsführenden Gesellschaftsorgan, also bei der Aktiengesellschaft dem Vorstand und bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien dem persönlich haftenden Gesellschafter, auf ( 92 Abs. 2, 283 Nr. 14 AktG). Der abschließende Charakter dieser Regelung verbietet es, die Anmeldepflicht auf andere Gesellschaftsorgane wie den Aufsichts- oder einen Verwaltungsrat je nachdem auszudehnen, wie weit deren satzungsmäßige Einflußmöglichkeiten im Einzelfall reichen, zumal auch 208 Abs. 1 KO das Konkursantragsrecht auf Vorstandsmitglieder und Liquidatoren beschränkt.
a) Ein unmittelbarer Verstoß der Beklagten gegen 92 Abs. 2 AktG scheidet hiernach aus. Die Voraussetzungen, unter denen Personen, die zwar rechtlich nicht dem geschäftsführenden Organ angehört haben, tatsächlich aber wie ein solches tätig gewesen sind, wegen Verletzung der Konkursantragspflicht haftbar gemacht werden können (vgl. BGHSt 21,101, 103 ff; BGH Urteil vom 24. Oktober 1973 - VIII ZR 82/72 = LM BGB 826 Ge Nr. 9, zu III 2)., treffen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf die Beklagten nicht zu. Danach hatten diese zwar aufgrund weitgehender satzungsmäßiger Weisungsbefugnisse und der Beklagte zu 1 darüber hinaus auch als Mehrheitsaktionär der mit rund 84% an der H. -Bank beteiligten G. -Gesellschaften innerhalb der Bank eine sehr starke Stellung. Sie haben diese aber nicht in der Weise tatsächlich ausgenutzt, daß sie den persönlich haftenden Gesellschafter völlig aus der ihm gesetzlich zugewiesenen Geschäftsführung ( 278 Abs. 2 AktG, 164,114 HGB) verdrängt und sich allgemein an seine Stelle gesetzt hätten. Vielmehr führte die ordentliche Geschäftsleitung die Bank bis zu deren Schließung unter voller Eigenverantwortung weiter. Einen Rechtsfehler, der dem Berufungsgericht bei dieser Würdigung unterlaufen sein könnte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
b) Die Beklagten könnten allerdings als Anstifter oder Gehilfen einer dem persönlich haftenden Gesellschafter zur Last fallenden Verletzung des 92 Abs. 2 in Verbindung mit 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG über 823 Abs. 2, 830 BGB den Gläubigern der H. -Bank haften. Eine solche Haftung setzt aber die vorsätzliche Unterstützung des zum Handeln Verpflichteten und damit zumindest die Erkenntnis voraus, daß dieser den Konkursantrag pflichtwidrig unterläßt (BGHSt 14,280). Hierfür bietet der festgestellte Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
c) Nach dem Vortrag der Klägerin sollen die Beklagten freilich angesichts der festgestellten Überschuldung der Bank nicht nur H. zum Stillhalten veranlaßt oder sogar angewiesen, sondern ihn obendrein auch von den anschließenden Sanierungsverhandlungen ferngehalten und alle damit zusammenhängenden Maßnahmen an sich gezogen haben. Ob dies ausreichen könnte, sie für die Einhaltung der in 92 Abs. 2 AktG dem geschäftsführenden Organ auferlegten Pflichten selbst verantwortlich zu machen, könnte zweifelhaft sein, wenn man die insoweit ziemlich enge bisherige Rechtsprechung zugrunde legt (vgl. BGH Urteil vom 24. Oktober 1973 aaO; aber auch BGHZ 65,15, 21; dazu K. Schmidt JZ 1961, 661, 665 f sowie Scholz/K. Schmidt aaO 64 Anm. 35 m. w. N.). Die Frage braucht indessen nicht weiter vertieft zu Werden. Denn auch wenn man die Möglichkeit einer Haftung der Beklagten wegen Verstoßes gegen 92 Abs. 2 AktG von dem Zeitpunkt an, in dem sie sich aufgrund ihrer maßgeblichen Stellung in der H. - Bank persönlich in den Gang der Ereignisse eingeschaltet haben, grundsätzlich bejaht, scheidet eine solche Haftung nach dem vorliegenden Sachverhalt aus.
d) Geht man nämlich davon aus, daß die Beklagten, nachdem sie einmal die Dinge in die Hand genommen hatten, die Konkursantragspflicht selber beachten mußten, so können sie sich auch darauf berufen, nach der Vorschrift des 92 Abs. 2 Satz 1 AktG lediglich verpflichtet gewesen zu sein, das Konkurs- oder Vergleichsverfahren ohne schuldhaftes Zögern , spätestens aber nach drei Wochen, zu beantragen. Danach braucht das zuständige Gesellschaftsorgan bei Feststellung einer Konkurslage nicht unbedingt sofort einen Konkurs- oder Vergleichsantrag zu stellen. Es muß nur ohne schuldhaftes Zögern handeln. Das schließt die Befugnis und gegebenenfalls sogar die Pflicht ein, mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ( 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) zu prüfen und zu entscheiden, ob nicht andere, weniger einschneidende Maßnahmen besser als ein Insolvenzverfahren geeignet sind, Schaden von der Gesellschaft, ihren Gläubigern und der Allgemeinheit abzuwenden. Das hierdurch der Unternehmensleitung eingeräumte pflichtmäßige Ermessen wird durch die für seine Ausübung gesetzte Höchstfrist von drei Wochen noch unterstrichen, aber auch begrenzt (Scholük. Schmidt aaO 54 Anm. 6, 7, 21).
Damit gibt das Gesetz einen, wenn auch zeitlich kurz bemessenen, Spielraum für Sanierungsaktionen. Die Verwaltung hat, je nach Lage des Falles, Gelegenheit zu dem Versuch, mit geeigneten Mitteln, wie Verhandlungen mit den Gläubigern und Beschaffung neuen Kapitals, das Unternehmen zu retten. Solche Versuche dienen vielfach nicht nur dem Interesse der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, sondern vor allem auch der Gläubiger, für die eine übereilte Konkurseinleitung ein zweischneidiges Schwert bilden kann (Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. 103 Anm. 11), der Erhaltung von Arbeitsplätzen und allgemeinwirtschaftlichen Belangen. Diese Gesichtspunkte konnten jedenfalls zu der hier maßgeblichen Zeit gerade auch bei einem Bankhaus dazu nötigen, einem Rettungsversuch zunächst den Vorzug zu geben vor einem alsbaldigen Konkurs- oder Vergleichsantrag, der den Bankbetrieb, in der Regel für dauernd, zum Erliegen bringt und für Kunden zu einem meist sehr beträchtlichen Einlageverlust führt, darüber hinaus aber auch das allgemeine Vertrauen in die Banken untergräbt und nachteilige Folgewirkungen für die Gesamtwirtschaft haben kann.
Entgegen der Auffassung der Revision war daher nach der Gesetzeslage im Jahre 1974 92 Abs. 2 AktG auf Bankunternehmen uneingeschränkt anwendbar, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat (heute schreibt der durch Gesetz vom 24. März 1976 - BGBl I 725,1121 - neu eingefügte 46b KreditwesenG für Banken anstelle des Konkursantrages die unverzügliche Anzeige beim Bundesaufsichtsamt vor). Etwas anderes ergibt sich namentlich nicht aus 46 KreditwesenG.
e) Der Aufschub von Insolvenzmaßnahmen zugunsten von Sanierungsversuchen kann freilich bewirken, daß Gläubiger, die sich durch die vorläufige Aufrechterhaltung des Betriebes in ihren geschäftlichen Dispositionen beeinflussen lassen, bei einem Fehlschlagen des Versuchs Schaden erleiden. Das trifft vor allem auch bei Banken zu, die in der kritischen Zeit ihre Schalter geöffnet halten und ihren laufenden Geschaftsbetrieb weiterführen. Die Gefahr, daß Kunden sich hierdurch zu Neueinlagen verleiten lassen, die bei einem Zusammenbruch der Bank ganz oder teilweise verloren sind, kann praktisch weder durch eine Warnung dieser Kunden noch durch eine Einlagensperre ausgeschaltet werden, sollen die Bemühungen um eine Stützung der Bank nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Denn jede solche Maßnahme kann, nicht zuletzt auch auf Kosten der schon vorhandenen Kunden, eine allgemeine Panik heraufbeschwören und so doch zu einer Schalterschließung zwingen, deren nachteilige Folgen sich in aller Regel nicht wiedergutmachen lassen ... Hinzu kommt, daß es zur Abwendung möglicher Drittschäden infolge verspäteter Geschaftseinstellung bei der Eigenart eines laufenden Bankbetriebs nicht einmal ausreichen würde, durch persönliche Einwirkung Gläubiger von einer Neueröffnung oder einer Erhöhung von Guthaben abzuhalten. Denn es ist darüber hinaus vor allem an den gewöhnlich sehr großen und unübersehbaren Kreis solcher Kunden zu denken, auf deren Konten noch Zahlungen oder Überweisungen im normalen Abrechnungsverkehr eingehen und die durch Einzelmaßnahmen gar nicht erfaßt werden könnten.
Das bedeutet jedoch nicht, daß eine Bank nach früherem Recht angesichts einer festgestellten Konkurslage mit Rücksicht auf etwaige Neueinleger oder Zahlungsempfänger gehalten gewesen wäre, stets auf Sanierungsgespräche zu verzichten, sogleich ihren Betrieb zu schließen und einen Vergleichs- oder Konkursantrag zu stellen. Indem das Gesetz die Wahl zwischen sofortigen Insolvenzmaßnahmen mit der unvermeidlichen Folge der Schalterschließung oder einem vorherigen Stützungsversuch innerhalb der Frist des 92 Abs. 2 Satz 1 AktG der verantwortlichen Entscheidung der zuständigen Gesellschaftsorgane überläßt, eröffnet es auch die Möglichkeit, bei Ausnutzung der Frist für Sanierungsverhandlungen in den Grenzen kaufmännischer Sorgfalt und geschäftlichen Anstands, Vermögensbewegungen während dieser Zeit zuzulassen, die sich für die Geschäftspartner bei einem Mißlingen des Versuchs als nachteilig erweisen können. Auf diese Weise trägt es den, wie erwähnt, vielfach sehr einschneidenden, über den Kreis der unmittelbar Betroffenen weit hinausreichenden Folgen Rechnung, die mit einer plötzlichen Einstellung des Geschäftsbetriebs verbunden sein können.
Damit steht das geschäftsführende Gesellschaftsorgan vor einer Entscheidung, die eine sehr sorgfältige Abwägung aller für und gegen einen sofortigen Konkurs- oder Vergleichsantrag sprechenden Gesichtspunkte erfordert. Je größer das Risiko einer Schädigung gutgläubiger Geschäftspartner ist, um so gewissenhafter ist zu überlegen, ob dieses Risiko um der Aussichten und Vorzüge einer Sanierung willen in Kauf genommen werden kann und muß. Bei einer Bank war gegenüber einer Verlustgefahr für Neugläubiger vor allem die Chance auf die Waagschale zu werfen, das Unternehmen zum Nutzen aller Gläubiger zu retten und so die kaum weniger schutzwürdigen zahlreichen ungesicherten Altkunden, aber auch Nichtkunden, denen bei Schließung der Bank eine ihnen zustehende Leistung ohne genügende anderweitige Deckung vorenthalten bleibt, vor einem sonst mit Sicherheit eintretenden und insgesamt meist viel höheren Schaden zu bewahren.
f) Die auf längstens drei Wochen bemessene Frist für, sorgfältige Überlegungen, Verhandlungen und Entscheidungen kann in dem hier gegebenen Fall der Überschuldung - nur über ihn ist zu befinden - entgegen der mißverständlichen Fassung des 92 Abs. 2 Satz 2 AktG (vgl. auch 64 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GmbHG) erst mit dem Zeitpunkt beginnen, in dem das zum Handeln verpflichtete Organ von der Überschuldung positive Kenntnis hat (Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG 92 Anm. 20; Mertens in Kölner Komm. z. AktG 92 Anm. 20 m. w. N.; ebenso zu 64,84 GmbHG: BGHSt 15,306, 310). Denn nur so kann sie ihren Zweck erfüllen, Sanierungsversuche zu ermöglichen, zumal sich der objektive Eintritt des Konkursgrundes kaum jemals zeitlich genau festlegen läßt und die Geschäftsleitung in einer Krisenlage besseres zu tun hat, als über diese Frage Untersuchungen anzustellen (so zutreffend Mertens aaO). Das geschäftsführende Organ darf daher die Frist gegebenenfalls auch dann nach pflichtmäßigem Ermessen für Sanierungsbemühungen in Anspruch nehmen, wenn es die Konkurslage fahrlässig zu spät entdeckt und sich insoweit schadenersatzpflichtig gemacht hat (Scholz/K. Schmidt aaO 64 Anm. 7,8). Die gegenteilige Meinung (vgl. Kühn, Die Konkursantragspflicht bei Überschuldung einer GmbH, Diss. 1969, S. 81 ff.) verkennt, daß die Sanierungsfrist nicht nur eine Vergünstigung für die Gesellschaft und ihr geschäftsführendes Organ bedeutet, sondern auch allgemeinen Interessen und dem Vorteil der Gläubiger selbst dienen kann.
Der hiernach für die Beklagten maßgebende Anfangszeitpunkt war der 16. Juni 1974 als der Tag, an dem H. und der Generalbevollmächtigte v. d. G. sie davon unterrichteten, daß sich der Verlust aus den Devisentermingeschäften zwischen 450 und 520 Mio. DM bewege. Daß die Beklagten schon früher Kenntnis von einem das haftende Eigenkapital übersteigenden Verlust erlangt hätten, ... hat die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder substantiiert vorgetragen noch ausreichend unter Beweis gestellt. Was die Revision dagegen vorbringt, räumt diese tatrichterliche Beurteilung jedenfalls insoweit nicht aus, als es: um das hier allein erhebliche konkrete Wissen der Beklagten von der wirklichen Höhe der Verluste geht.
g) Aus dem Charakter der Dreiwochenfrist des 92 Abs. 2 Satz 1 AktG als zeitliche Höchstgrenze ( spätestens ) hat das Berufungsgericht zutreffend gefolgert, daß die Frist nicht ohne triftige Gründe ausgeschöpft werden darf und deshalb das Gebot, das Konkurs- oder Vergleichsverfahren ohne schuldhaftes Zögern zu beantragen, schon früher zu erfüllen ist, wenn von Anfang an feststeht oder sich vor Ablauf von drei Wochen herausstellt, daß eine rechtzeitige Sanierung nicht ernstlich zu erwarten ist; das gilt um so mehr, je größer die Gefahr einer Schädigung neuer Gläubiger ist.
Welchen Grad von Erfolgsaussicht hiernach ein Sanierungsversuch aufweisen muß, um einen Aufschub von Insolvenzmaßnahmen rechtfertigen zu können, läßt sich nicht allgemein, sondern nur von Fall zu Fall beantworten. Hierbei sind einmal die Folgen in Betracht zu ziehen, die ein Zusammenbruch des Unternehmens für dieses selbst, seine Betriebsangehörigen, seine Kundschaft und die Allgemeinheit haben würde; sie wiegen, wie bereits aufgezeigt wurde, bei einem Bankhaus außerordentlich schwer und konnten es daher dort besonders nahelegen, vor Einleitung eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens jede nicht allzu entfernt liegende Rettungschance zu ergreifen oder jedenfalls mit Sorgfalt und ohne übertriebene Hast zu prüfen. Zum anderen lassen sich gerade bei einem größeren Bankunternehmen wie der H. -Bank mit ihren vielfältigen Geschäftsbeziehungen und internen Verflechtungen die Sanierungsaussichten vielfach gar nicht auf den ersten Blick übersehen. Um beurteilen zu können, ob solche Aussichten überhaupt bestehen, bedarf es vorweg genauerer Feststellungen nicht nur über die eigene Vermögens- und Liquiditätslage, sondern auch über die verbundener Unternehmen sowie über die Ursachen der eingetretenen Krise. Auf dieser Grundlage ist dann, wenigstens im groben, ein Sanierungsplan zu entwerfen, dessen Risiken und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die vorhandenen oder zu erwartenden finanziellen Hilfsquellen zunächst überschlägig zu bewerten sind (vgl. Mertens ZHR 1979, 174, 189). Dazu ist die Bereitschaft der Gläubiger, der Großbanken und gegebenenfalls auch der öffentlichen Hand zu Hilfeleistungen oder Verzichten einzuschätzen, wozu Gespräche mit kompetenten Persönlichkeiten erforderlich sein können, wie die Beklagten sie hier geführt haben. Erst so läßt sich vielfach ein klareres Bild gewinnen, ob Bemühungen um eine Überwindung der Krise ohne Insolvenzverfahren so lohnend sind, daß es zu verantworten ist, das an sich beachtliche Interesse des Publikums an einer wahrheitsgemäßen Unterrichtung über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens noch kurze Zeit zurückzustellen.
Unter diesen Gesichtspunkten ist es bei dem vorliegenden Sachverhalt rechtlich nicht zu beanstanden, daß es das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, ob die Erwartung der Beklagten, die Bank retten zu können, schon im Ansatz unrealistisch gewesen ist. Seine Feststellung, dies sei nicht der Fall, vielmehr seien die Sanierungsverhandlungen nicht von vornherein aussichtslos gewesen, hält den Angriffen der Revision stand.
Richtig ist zwar, daß bei einer Überschuldung die Hoffnung, ein Insolvenzverfahren vermeiden zu können, einen Aufschub des Antrags auf Verfahrenseröffnung nur dann rechtfertigen kann, wenn hinreichende Aussicht besteht, unabhängig von der Inanspruchnahme von Krediten, die an der Schuldenlast nichts ändern, durch Verstärkung der Eigenmittel oder Herabsetzung der Verbindlichkeiten die Vermögensbilanz (bei Ansatz der wirklichen Werte) mindestens voll ausgleichen zu können. Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht verkannt (wird ausgeführt).
Demnach konnten die Beklagten nach dem damaligen Sach- und Informationsstand ohne Verletzung der Gebote kaufmännischer Sorgfalt und Vorsicht ihre Bemühungen um eine Sanierung der H.-Bank als sinnvoll betrachten. Ob sich ihre Einschätzung der wirtschaftlichen Gegebenheiten bei rückblickender Betrachtung in allen Punkten als objektiv richtig erweist und ob später, nach dem Zusammenbruch der Bank, erstattete Gutachten den Wert der Konzernbeteiligungen des Beklagten zu 1 geringer angesetzt haben, durfte das Berufungsgericht für die Frage eines schuldhaften Verstoßes gegen 92 Abs. 2 AktG als unerheblich ansehen.
h) Die Beklagten haben, nachdem sie am 16. Juni 1974 von der Überschuldung der Bank erfahren hatten, insgesamt knapp zehn Tage geplant und verhandelt, bevor die Rücknahme der Geschäftserlaubnis ihren Bemühungen um eine Stützung der Bank zwangsläufig ein Ende setzte Diesen Zeitraum durfte das Berufungsgericht angesichts der Bedeutung dieser Bemühungen und der Schwierigkeiten der dazu notwendigen Klärungen als nicht übersetzt ansehen. Das gilt vor allem auch für seine Feststellung, die Beklagten hätten in der bedrohlichen Lage, vor die sie sich überraschend gestellt sahen, notwendige Maßnahmen nicht pflichtwidrig zum Schaden der Gläubiger hinausgezögert.
2. Eine Haftung der Beklagten wegen einer gegen die guten Sitten verstoßenden vorsätzlichen Schädigung der Klägerin ( 826 BGB) scheidet nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls aus.
Nach der im Ergebnis zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts ist ein solcher Verstoß nicht darin zu sehen, daß die Beklagten während der Sanierungsversuche die Bank auf die Gefahr hin weiterführen ließen, daß Neueinleger bei einem Scheitern dieser Versuche Schaden erleiden konnten. Nach dem festgestellten Sachverhalt haben die Beklagten nicht sittenwidrig gehandelt, so daß offenbleiben kann, ob es, wie das Berufungsgericht meint, schon an einem, wenigstens bedingten, Schädigungsvorsatz fehlt, weil es den Beklagten ausschließlich um die Rettung der Bank gegangen sei. Denn ein Verhalten, das nach 92 Abs. 2 Satz 1 AktG für einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter erlaubt oder sogar geboten ist, kann nicht gleichzeitig gegen die guten Sitten verstoßen.
Damit gelten für Sanierungsversuche innerhalb der Frist des 92 Abs. 2 Satz 1 AktG ähnliche Grundsätze, wie sie die Rechtsprechung für Stützungsaktionen einer Bank als Großgläubigerin aufgestellt hat Wer ein notleidendes Unternehmen zu retten versucht, verstößt, sofern er die Krise den Umständen nach als überwindbar und darum Bemühungen um ihre Behebung als lohnend ansehen darf, nicht schon deshalb gegen die guten Sitten, weil ein solcher Versuch die Möglichkeit des Mißlingens und damit einer Schädigung nicht informierter Geschäftspartner einschließt. Erst wenn ernste Zweifel an dem Gelingen eines Sanierungsversuchs bestehen und deshalb damit zu rechnen ist, daß er den Zusammenbruch des Unternehmens allenfalls verzögern, aber nicht auf die Dauer verhindern wird, kann der Vorwurf sittenwidrigen Handelns zum Schaden der Gläubiger vor allem dann berechtigt sein, wenn dieses Handeln auf eigensüchtigen Beweggründen beruht (vgl. BGHZ 10,228, 233 f; BGH Urteil vom 14. April 1964 - VI ZR 219/62 = WM 1964,671; vom 9. Februar 1965 - VI ZR 153/63 = WM 1965,475; vom 9. Dezember 1969 - VI ZR 50/68 = LM BGB 826 Ge Nr. 8). Daß solche Beweggründe hier eine ausschlaggebende Rolle gespielt hätten, scheidet nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ebenso aus wie der Vorwurf, die Beklagten hätten ihren Sanierungsversuch leichtfertig ohne genügende wirtschaftliche Grundlage eingeleitet (vgl. BGH Urteil vom 5. März 1975 - VIII ZR 230/73 = WM 1975,559 zu III 2)...
Rechtlich fehlerfrei sind auch die Erwägungen, aus denen das Berufungsgericht ein betrügerisches Verhalten der Beklagten zum Nachteil der Klägerin ( 823 Abs. 2 BGB mit 263 StGB) verneint hat. In der schwierigen, nur mit einem hohen Maß an Weitblick, persönlichem Einsatz, aber auch Diskretion möglicherweise zu bewältigenden Lage, vor die sich die Beklagten durch die Überschuldung der Bank gestellt sahen, waren sie nicht verpflichtet, während des kurzfristigen Sanierungsversuchs Kunden ungefragt auf die bedrohliche Lage der Bank hinzuweisen oder durch das Bankpersonal hinweisen zu lassen. Die ihnen vom Gesetz ermöglichte oder sogar von ihnen geforderte gewissenhafte Abwägung zwischen den Vorteilen und Aussichten eines auf den Nutzen aller gerichteten, freilich auch mit einem Risiko für Neueinleger behafteten Stützungsversuchs und den Folgen einer Schalterschließung oder eines Insolvenzverfahrens, das nahezu mit Sicherheit für alle vorhandenen, nicht besonders gesicherten Gläubiger zu Verlusten führen mußte, schloß die Notwendigkeit ein, bei Wahl der ersten Alternative den Bankbetrieb vorläufig ungestört weiterlaufen zu lassen und die Kenntnis von der Konkurslage auf einen möglichst engen Kreis Eingeweihter zu begrenzen, deren Zuziehung zu den Sanierungsverhandlungen unumgänglich war. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, kann in solcher Lage eine Pflicht, die wahren Verhältnisse zu offenbaren, nur unter besonderen Umständen bestehen, an denen es hier fehlt. Insofern sind die Tatbestände einer Reihe von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, in denen eine Offenbarungspflicht angenommen wurde, mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar (vgl. z. B. BGH Urteil vom 25. März 1975 - VI ZR 75/73 = WM 1975,517; vom 22. November 1963 - VI ZR 280/62 = WM 1963,1343).
Es kommt hiernach nicht mehr auf die Feststellung des Berufungsgerichts an, den Beklagten habe überdies die für 263 StGB notwendige Absicht rechtswidriger Bereicherung gefehlt (vgl. hierzu BGHSt 16,1). Fundstellen: BGHZ 75, 97; NJW 1979, 1823