Facialsparese nach Medikamentengebrauch
Grenzen der Haftung
Arzthaftungsrecht: Die Grenzen der Haftung bei halbseitiger Facialisparese (Gesichtslähmung) nach Ortoton-Medikamtenteneinnahme
Trotz fehlgeschlagenem Behandlungserfolg kein Schadenersatz, so lautet das Ergebnis einer langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung für eine junge, sehr attraktive Frau, die sich wegen ihrer Schmerzen in der Schulter zum Arzt begab und nach der Verabreichung des hiergegen helfenden Medikaments Ortoton und einer nach ihrer Ansicht unterlassenen Hilfestellung mit einem entstellten Gesicht wieder fand. Halbseitig gelähmt, ein Auge größer als das andere und eine verbaute Karriere als Modell, die so viel versprechend war. Die Ursache ist klar, würde man als Laie denken. Ohne den Arztbesuch, ohne die Einnahme des Medikaments wäre alles wie vorher. "Ursache und Wirkung" führen also bei einer solchen Begebenheit naturgemäß zu der Folge "Wirkung gleich Schadenersatz". Die Rechtsordnung folgt dieser Logik nicht.
Nicht immer gelingt es, das Verhältnis von Ursache und Wirkung aufzuklären oder gar befriedigende Antworten für das zu geben, was aufgrund der Umstände als zwingend und wahrscheinlich angesehen wird. Zu vorschnell und im Ergebnis dann auch unrichtig wäre die Schuldzuweisung auf den Hersteller des Produkts oder gar den behandelnden Arzt, dem man nicht unterstellen kann, ein absolut gefährliches Medikament ohne Sinn und Verstand verabreicht zu haben. Die Risiken des Lebens lassen sich nicht immer erfassen. Das Recht hat Grenzen.
Die Erfahrung kann jeden treffen. Die Praxisbeispiele sind für alle Beteiligten eine stete Herausforderung. Für die Hersteller von Medikamenten, die auch bei Anspannung aller Kräfte nie jedes Risiko ausschließen können, für die behandelnden Ärzte, die sich auf ihre Erfahrung und die zur Verfügung stehenden Informationen verlassen müssen und für die Patienten, die bei einem Arztbesuch wie selbstverständlich davon ausgehen, einem unüberschaubaren Risiko niemals ausgesetzt zu sein.
Das Landgericht Berlin hat durch seine 6. Kammer in seinem Urteil vom 2.10.2008 zum Aktenzeichen 6 0 432/05 eine schuldhafte und für den Schaden kausale Pflichtverletzung des behandelnden Arztes verneint und alle Anträge der Patientin zurückgewiesen. Das Kammergericht hat sich durch seinen 20. Senat zum Aktenzeichen 20 U 201/08 dieser Entscheidung angeschlossen und die gegen das Urteil eingelegte Berufung durch Beschluss zurückgewiesen.
Das Landgericht hat seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt: Die am 25.01.1969 geborene Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter ärztlicher Behandlung. Die Klägerin befand sich seit dem Jahre 1994 in unregelmäßigen Abständen wegen Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich in orthopädischer Behandlung bei dem Beklagten. Am 22.10.1999 stellte sie sich ihm wegen Schmerzen im Halsbereich vor, der Beklagte diagnostizierte Cervico-Brachialgie links sowie Trapeziusmyalgie links und verschrieb der Klägerin wie bereits in der Vergangenheit wegen ähnlicher Beschwerden das Muskel entspannende Medikament Ortoton, welches den Wirkstoff Methocarbamol enthält. Im Folgenden erlitt die Klägerin eine Facialisparese ("Gesichtslähmung", der Verf.).
Die Klägerin behauptet, sie sei vom Beklagten fehlerhaft behandelt worden, indem dieser sie am 22.10.1997 wegen der von ihr geschilderten starken Schmerzen im Halsbereich. die sich als ein Brennen in der Muskulatur dargestellt hätten, das Medikament Ortoton verschrieben hätte, ohne über ein Gespräch hinausgehende diagnostische Maßnahmen durchzuführen und insbesondere das Vorliegen entzündlicher Prozesse im Körper der Klägerin auszuschließen, obwohl das Medikament bei entzündlichen Prozessen im Körper nicht verschrieben werden dürfe. Nach der Einnahme des Medikaments Ortoton habe sich in den Abendstunde des 22.10.1997 ein starker Schinerz in der linken Gesichtshälfte eingestellt; zudem sei ihr die Kontrolle über ihre Gesichtszüge entglitten, über Nacht sei die Kontrolle über die linksseitigen Gesichtszüge vollständig verloren gegangen. Die aufgetretene Facialisparese sei ursächlich auf die Einnahme des Medikaments Ortoton zurückzuführen. Trotz einer über Jahre gesehener, langsamer Besserung leide sie bis zum heutigen Tag unter den Auswirkungen der Facialisparese, wobei die Mimik immer noch beeinträchtigt sei. Sie beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld in einer billig vom Gericht zu bemessenden Höhe, mindestens jedoch 24,00 ,00 EUR zu zahlen; 2. festzustellen, dass der Kläger für sämtliche, auch zukünftige materielle und immaterielle Schäden, weiche der Klägerin infolge de Behandlung durch den Beklagten am 22.10.197 entstehen werden, zu ersetzen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte behauptet, er habe die Klägerin lege artis behandelt. Dabei habe er die Klägerin in der Weise untersucht, dass zunächst die Nackenmuskulatur abgetastet, dann die Dornfortsätze abgeklopft, der Kopf bewegt sowie die Triggerpunkte abgetastet worden seien. Hinweise für einen entzündlichen Prozess bei der Klägerin hätten nicht vorgelegen; äußerlich sei von einem entzündlichen Prozess nichts zu erkennen gewesen, entzündliche Presse im Körper seien bei einer solchen orthopädischen Untersuchung nicht zu entdecken. Fe er bestehe kein kausaler Zusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments Ortoton und der aufgetretenen Facialisparese. Der Beklagte berief sich auf die Verjährung.
In seinen Entscheidungsgründen führt das Landgericht Berlin aus: Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie auf Ersatz etwaig ihr zukünftig noch entstehender Schäden weder aus positiver Vertragsverletzung noch aus unerlaubter Handlung gemäß 823 ff, BGB. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass sie von dem Beklagten fehlerhaft behandelt worden und ihr deswegen ein Schaden entstanden ist.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der ua. Arzt für Orthopädie und daher hinreichend kompetent für die Beantwortung der maßgeblichen Beweisfragen ist, ist das Vorgehen des Beklagten nicht zu beanstanden.
Das nach den Ausführungen des Sachverständigen aus der lückenlosen Dokumentation ersichtliche Vorgehen des Beklagten ist in sich schlüssig und entspricht den Regeln der ärztlichen Kunst. Im Übrigen kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die beklagte Facialisparese überhaupt ursächlich durch die Einnahme des Medikaments erlitten hat. Soweit die Klägerin anführt, dass das 1edikament bei Vorliegen eines entzündlichen Geschehens den Eintritt einer Facialisparese be einstige, so ist jedenfalls nicht bewiesen, dass ein solches bei der Klägerin überhaupt vorgelegen hat. Im Gegenteil hat der Sachverständige festgestellt, dass ein entzündliches durch die Überprüfung des CRP-Wertes (zur Bestimmung von Eiweißen, deren Blutkonzentration bei dem Vorliegen entzündlicher Prozesse ansteigt) durch den Nachbehandler unter dem 13.11 1997 ausgeschlossen wurde. Dass diese Feststellung nicht unmittelbar den 22.10.1997 betrifft, ist selbstverständlich. Sodann war der Kläger nicht gehalten, das Vorliegen eines entzündlichen Prozesses abzuklären, wobei der Sachverständige das gesamte Vorgehen des Beklagten als lege artis bezeichnet hat. Ferner trägt die Klägerin in keiner Weise dazu vor, inwieweit spezifische Anhaltspunkte für das Vorliegen eines entzündlichen Prozesses überhaupt vorgelegen haben, die Anlass für eine Überprüfung gegeben haben könnten.
Abgesehen davon ist auch nicht bewiesen, dass bei Vorliegen eines entzündlichen Prozesses die Vergabe von Ortoton zur Entstehung der Facialisparese geführt hat. Der Sachverständige führt in diesem Zusammenhang aus, dass eine Facialisschädigung als Folge einer einmaligen Medikamenteneinnahme nicht bekannt und in der Literatur nicht beschrieben ist. Auch nach dem von der Klägerin zuletzt noch angeführten Auszug aus dem im Übrigen erst nach der Behandlung im Mai 2001 erschienen Informationsblatt .,Bastian" ist in Einzelfällen im zeitlichen Zusammenhang nur mit der systematischen Anwendung von nicht-steroiden Antiphlogistika eine Verschlechterung infektionsbedingter Entzündungen beschrieben worden. Ein Zuammenhang mit dem Wirkmechanismus der nicht-steroiden Antiphlogistika besteht auch nur möglicherweise und steht keinesfalls fest.
Vorliegend kann demgegenüber im Falle der Klägerin mit dem Sachver4tändigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer idiopathcschen (von selbst und ohne erkennbare Ursache entstandene), peripheren Bell`schen Parese ausgegangen werden, eiche zwar in zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung durch den Beklagten aufgetreten ist, aber in keinerlei Zusammenhang mit dieser steht. Insbesondere ist die Einnahme des Medikaments Ortoton als auslösende Ursache zu verneinen. Soweit die Klägerin dem Beklagten noch vorwirft, er habe sie anlässlich des Termins am 22.10.1997 nicht körperlich untersucht, so ist dieser Umstand nicht unter Beweis gestellt (Die Klägerin hatte keine Zeugin, der Verf.). Abgesehen davon, ist nicht ersichtlich, was für eine Untersuchung die Klägerin im Einzelnen vermisst und in welchem Zusammenhang dies mit dem eingetretenen Schaden stehen soll.
Auf eine körperliche Untersuchung der Klägerin durch den Sachverständigen kommt es nicht an, da diese allenfalls Aufschluss über den gegenwärtigen Zustand und die Qualität einer nachhaltigen Schädigung geben kann. Das kann jedoch dahinstehen, a der Beklagte bereits dem Grunde nach nicht haftet. Soweit die Klägerin es weiterhin als skandalös bzw. - so im Termin - al unterlassene Hilfeleistung bemängelt, dass sie am 23.10.1997 nicht gegenüber frisch operierten Patienten bevorzugt behandelt worden sei, so liegt dies neben der Sache. Der Vortrag lässt schon nicht erkennen, inwieweit die bereits eingetretene Facialisparese auf diesem, Umstand beruhen soll, zumal sich die Klägerin noch am selben Tag anderweitig in ärztliche Behandlung begeben hat. Ein Anspruch auf Schadensersatz setzt im Übrigen nicht nur ein haftes
Verhalten, sondern auch darauf beruhende Folgen voraus. Derartige Folgen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Dem klägerseitigen Antrag auf Ladung des Sachverständigen war nicht nachzugehen. da er ohne entschuldigende Umstände (über sieben Monate) verspätet nach Ab auf der mit Beschluss vom 26.10.2007 gesetzten Frist gestellt worden ist und die Ladung es Sachverständigen den Rechtsstreit verzögern würde ( 411 Abs.4, 296 Abs. 1 ZPO). Eine Ladung des Sachverständigen zum Termin am 02.10.2008 war infolge des verspäteten Antrags , us Zeitgründen nicht mehr möglich und hätte in Anbetracht des Terminstandes der Kammer eine Verlegung des Termins um etwa ein Jahr erforderlich gemacht, da an diesem Terminstag in anderen Arzthaftungssachen bereits zwei Sachverständige und ferner Zeugen und Parteien zur Anhörung - u.a. zu einem Termin um 11:30 Uhr - geladen waren.
Die Berufung wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Vernehmung und Ladung des Sachverständigen zur Befragung in jeder Hinsicht erforderlich gewesen ist, das ursprünglich vorgesehene "Pharmakologische Gutachten" nicht eingeholt wurde, der Beklagte nicht als Partei über die Tatsache der unterlassenen Nachbehandlung gehört wurde und das Landgericht darüber hinaus den Ursachenzusammenhang verkannt hatte. Infolge der Tatsache, dass die schmerzhafte Schädigung unmittelbar auf den Arztbesuch und die Einnahme des Medikaments erfolgt, musste zwingend von einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugunsten des Patienten ausgegangen werden. Darüber hinaus hielten es die Klägerinvertreter für schäbig, sich dem Verfahren durch Abwesenheit zu entziehen.
Der 20. Senat des Kammergerichts hat seine Auffassung zur Nichtzulassung der Berufung gem. 522 ZPO wie folgt begründet:
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin gegen den Beklagten keinen Schmerzensgeldanspruch wegen fehlerhafter Behandlung hat. Auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts, soweit sie die Bewertung des Sachverständigengutachtens betreffen, wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen ändert daran nichts. Zur Ergänzung und zum Berufungsvorbringen gilt folgendes: Der Sachverständige hat eindeutig und nachvollziehbar ausgeschlossen, dass die einmalige Einnahme des der Klägerin von dem Beklagten verordneten Medikamentes Ortoton zur Facialisparese geführt hat. Deren Ursache ist idiopathisch, d.h. von selbst entstanden und ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf die Medikamenteneinnahme zurückzuführen. Der Sachverständige hat betont, dass die Facialisparese in keinem Zusammenhang mit der Behandlung der Klägerin, insbesondere nicht aufgrund des genannten Medikamentes entstanden ist. Er hat dies auch begründet und ausgeführt, dass diese Schädigung im Nervenkern bzw. im Nerv selbst entstanden ist, es sich also um eine Schädigung des Nerven selbst handelt, die ungeachtet der Einnahme des Medikamentes entstanden ist und bei der der Nerv durch Druck geschädigt wird.
Diese Ursache schließt es aus, dass das eingenommene Medikament als Ursache festgestellt werden kann. Nachvollziehbar ist dies, weil auch nach allgemeinem Verständnis nicht angenommen werden kann, dass und auf welchem Weg das Medikament selbst Druck auf den Nerven ausüben konnte. Näheres hierzu hat auch die Klägerin nicht dargelegt, so dass es bei der genannten kausalen Bewertung zu bleiben hat.
Unter diesem Blickwinkel kann dahinstehen, ob der Beklagte der Klägerin ein anderes, weniger schadloses Medikament hätte verordnen müssen, wie die Klägerin behauptet. Wenn der Beklagte dies getan hätte, wäre die Facialisparese nicht ausgeblieben, weil diese eben nicht auf der Einnahme von Ortotan beruhte.
Die Fachinformation der Firma Bastian führt zu keiner anderen Beurteilung. Darin heißt es, worauf bereits das Landgericht zu Recht hingewiesen hat, dass in Einzelfällen eine Verschlechterung infektionsbedingter Entzündungen beschrieben wurde, wenn das Medikament systemisch angewendet wurde. Darum geht es hier nicht. Eine systemische Anwendung bedeutet. die Einnahme des Medikamentes entsprechend einer zeitlichen und mengenmäßigen Abfolge, was hier ausgeschlossen ist, da die Klägerin das Medikament nur einmal einnahm. Dementsprechend hat der Sachverständige auch beschrieben, dass eine Facialsschädigung als Folge einer solchen einmaligen Einnahme ausgeschlossen ist.
Hinzu tritt, dass die Klägerin weder über eine Zunahme infektionsbedingter Entzündungen klagte noch festgestellt wurde, dass es sich um eine nekrotisierende, also auf einem Untergang von Gewebe beruhende Facialschädigung handelte, wie es in dem Merkblatt der Firma Bastian heißt. Die hier eingetretene Schädigung beruhte, wie ausgeführt, auf einer Druckschädigung des Nervens.
Der Forderung der Klägerin, der Sachverständige möge sie persönlich untersuchen, war nicht zu entsprechen. Der Sachverständige konnte das soeben beschriebene Ergebnis auch ohne Untersuchung der Klägerin feststellen. Abgesehen davon, dass er selbst eine Untersuchung zur Begründung dieser Ausführungen nicht für erforderlich gehalten hat, andernfalls hätte er dies ausgeführt, erschließt sich das Ergebnis auch ohne eine solche Untersuchung. Wenn eine Facialisparese generell nicht durch die einmalige Einnahme des Medikamentes Ortoton verursacht werden kann, hat dies auch in diesem Fall zu gelten. Auch der Sachverständige hat keinen Anhalt dafür erkennen können, dass sich durch diese Feststellung etwas ändert, wenn er die Klägerin untersucht hätte. In diesem Fall hätte er die Facialisparese oder denjenigen Zustand feststellen können, der von jener Krankheit bei der Klägerin noch als Restbeschwerden übrig geblieben ist. Die generelle fehlende Eignung der Einnahme des Medikamentes würde durch die Feststellung dieser Beschwerden von der Beurteilung der Ursächlichkeit nicht betroffen.
Die Klägerin rügt unter diesem Gesichtspunkt erfolglos, dass der Beklagte sie nicht körperlich untersucht habe. Eine Untersuchung hätte an dem Ergebnis nichts geändert, dass die Facialisparese unabhängig von der Einnahme des verordneten Medikamentes entstand. Der Beklagte brauchte auch keine infektionsbedingte Entzündung der Klägerin auszuschließen, weil das Medikament unabhängig von einer Entzündung nicht geeignet war, eine Facialisparese bei der Klägerin herbeizuführen, und zwar unter keinem denkbaren medizinischen Gesichtspunkt. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass mit Blick auf die Bewertung des Gutachtens die Grundsätze einer Beweislastumkehr weder ihren Voraussetzungen nach noch im Ergebnis der Klägerin zum Erfolg verhelfen können.
Eine Befragung des Nachbehandlers Dr. S. zum Zustand der Klägerin ist nicht angezeigt. Sie führt nicht weiter, denn die Facialisparese der Klägerin war dem Sachverständigen bekannt. Welche Behandlung dieser Arzt durchgeführt hätte, kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erheblich sein.
Das Ergebnis wird nicht davon beeinflusst, dass das Landgericht den Sachverständigen nicht zur Erläuterung seines Gutachtens geladen hat. Ob durch die in dem angefochtenen Urteil enthaltene Begründung die Ablehnung der Ladung trägt, erscheint zwar zweifelhaft und ist eher zu verneinen, weil nicht hinreichend erkennbar wird, dass eine Ladung des Sachverständigen zum Termin am 2.10.08 aufgrund des zwar verspätet, aber doch noch mit am 25.8.08 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 20.8.08 gestellten Antrags nicht noch hätte eingeplant werden und erfolgen können.
Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an. Das Landgericht brauchte den Sachverständigen aus sachlichen Gründen nicht zu laden, und auch der Senat sieht hierzu abgesehen davon, das die Klägerin einen entsprechenden Antrag in der Berufungsinstanz nicht gestellt hat weder auf Antrag noch von Amts wegen einen Anlass. Die Begründung der Klägerin genügt hierfür nicht, und danach kann die Ladung des Sachverständigen allein der Verzögerung des Rechtsstreits dienen.
Eine Befragung des Sachverständigen zu den dort genannten einzelnen Gesichtspunkten kann kein anderes Ergebnis herbeiführen: Soweit der Beklagte die Klägerin nicht körperlich untersucht hat, ist dies unstreitig und einer fördernden Erläuterung durch den Sachverständigen nicht zugänglich.
Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte hätte bei ihr Laboruntersuchungen veranlassen müssen, dient keiner weiteren Aufklärung durch Erläuterung des Sachverständigengutachtens und ist für die Beantwortung der Beweisfrage, ob die Facialisparese auf die Einnahme des Medikamentes zurückzuführen ist, ohne medizinischen und rechtlichen Belang. Dies betrifft auch die Frage, ob die Borrellien im Grenzwert gewesen und auch einige andere Laborwerte positiv gewesen sind. Wie vorstehend ausgeführt, ändern entzündliche Prozesse nichts daran, dass die Ursächlichkeit der einmaligen Einnahme des Medikaments Ortoton für die Facialisparese ausgeschlossen ist.
Hinsichtlich der Einschätzung der Klägerin, das Brennen im Hals schließe auf entzündliche Prozesse, gilt das Gleiche. Die in der Fachinformation der Firma Bastian enthaltenen Hinweise betreffen, wie bereits ausgeführt, diesen zu entscheidenden Sachverhalt nicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang für die Bewertung der Wirkung des Medikamentes auch die Frage, ob die akuten Beschwerden an der linken Halsseite der Klägerin als Schulter/Nackenverspannung zu bezeichnen sind. Eine versäumte Behandlung am Folgetag, also am Tag nach der Entstehung der Facialsparese, konnte diese unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt verhindern. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass Mängel der Dokumentation des Beklagten das Prozessergebnis beeinflusst haben können. In diesem Zusammenhang rügt die Klägerin ohne Erfolg, das Landgericht habe ihr das rechtliche Gehör verkürzt.
Das Ergebnis befriedigt die Patientin nicht. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, zumal sich trotz aller Bemühungen Feststellungen dazu, dass vergleichbare Situationen zu ähnlichen Schädigungen geführt haben, nicht ermittelt werden konnten. Die Verfahrensdauer von über 4 Jahren mit vorausgehenden außergerichtlichen Bemühungen zur Streitbeilegung verdeutlicht die Komplexität von Arzthaftungsprozessen, die immer wieder nur durch die Einbeziehung sachverständiger Gutachter entschieden werden können. Meist ist die Bestellung des Gutachters der letzte Erfolg des Patientenanwalts, der im Ergebnis selbst auf die Feststellungen des Gutachters angewiesen ist. Deren Ausführungen zur pflichtgemäßen Behandlung und zu den "Goldenen Regeln des ärztlichen Berufes" sind meist ausschlaggebend und selten infrage zu stellen.