Rechtsunsicherheit
The King's law ends at the village gate
Ein altes und auch heute wieder vielzitiertes vietnamesisches Sprichwort lautet:"The King's law ends at the village gate".
Das Sprichwort soll das erhebliche Mißverhältnis zwischen zentralstaatlicher Gesetzgebung und Verwaltung einerseits und der lokalen Rechtsanwendung andererseits verdeutlichen.
Das Sprichwort geht auf die Tang-Zeit zurück, als Vietnam noch von China besetzt war. In dieser Zeit konnten die Vietnamesen nur auf lokaler Ebene ihre eigenen Aufgaben wahrnehmen. Auf Kreis- und Staatsebene herrschten die Chinesen und ihre Stadthalter. Der damit historisch gewachsene Widerspruch der unterschiedlichen Interessen setzte sich bis ins 20. Jahrhundert fort. Auch unter der kommunistischen Regie geht jede Einrichtung und Institution in Vietnam traditionell davon aus, daß sie selbst den Umfang der gesetzlichen Bestimmungen bestimmt. In Extremfällen kann der Lokalpatriotismus so ausgeprägt sein, daß Gesetze und Verordnungen einfach übergangen werden. Dies beeinträchtigt das Investitionsklima nicht unerheblich. Hinzu kommt, daß aufgrund des fehlenden rechtlichen in sich geschlossenen Rahmensystems nicht nur unterschiedlichste Gesetz und Verordnungen mit z.T. widersprechenden Regelungen im Umlauf sind, sondern auch viele Bestimmungen gar nicht veröffentlicht werden, so daß die Entscheidungen der Verwaltungen mitunter nicht nachvollziehbar sind.
Ein weiteres altes chinesisches Sprichwort verdeutlicht, worauf es heute ankommt:
"Es ist gut, die geschriebenen und veröffentlichten Gesetze zu kennen und zu beherrschen. Noch besser ist es, die geschriebenen aber unveröffentlichten Gesetze zu kennen. Am besten ist es jedoch, wenn man die ungeschriebenen Gesetze kennt und beherrscht", was relativ schwierig ist, solange Vietnam noch kräftig gegen das Transparenz und Gleichbehandlungebot verstößt, wonach Ausländer in aller Regel schlechter behandelt werden. Erst ein Beitritt zur Welthandelsorganisation wird hier einen Wandel mit sich bringen.
Die derzeitige Rechtsunsicherheit wird in erster Linie von westlichen Unternehmern gerügt. Wir Deutschen zählen auch hier zu den größten Kritikern. Asiaten dagegen investieren beträchtlich ohne die Mängel zu rügen und haben den Markt mit einem Vorsprung von 4 Jahren schon fast fest in der Hand. Dabei sind die asiatischen Unternehmen nicht weniger problembewußt oder etwa sehr viel risikofreudiger. Sie verstehen sich nur besser darauf, den örtlichen Bedingungen gerecht zu werden und das latente wirtschaftliche Risiko durch feste Bande zu den richtigen Partnern zu minimieren.
Es darf nicht übersehen werden, daß sich die vietnamesische Regierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine rechtstaatliche Politik und Rechtsanwendung bemüht. So erklärte der führende Berater der Regierung Dr. Luu Van Dat erst im September 1993 in Paris:
"It is the Intention of the leaders of the Socialist Republic of Vietnam to supplement the current legislation and regulations regarding external economic relations and to ratify all international conventions in order to promote the open door policy",
Allerdings ist das Bemühen noch nicht überall bekannt geworden, denn der Bürger auf der Straße macht noch ganz andere Erfahrungen:
"Yes, I broke regulations. But I'm not as bad as the government which never follows its own rules"